Sonntag, 27. Januar 2013

Der Mieter [1976]



Trelkovsky könnte eigentlich der perfekte Nachbar sein. Er ist jung, ruhig, gesittet, höflich und hat keine Freundin, mit der er Krach machen könnte. Eigentlich sollte im Wohnblock nach Trelovskys Einzug alles in geordneten Bahnen verlaufen. Tut es aber nicht, denn Trelovsky sieht sich ständig scheinbar grundlos Anfeindung von seine Nachbarn ausgesetzt, die ihn für den Radau in der Nacht maßregeln, obwohl er tief und fest geschlafen hat. Es gehen sogar Anzeigen wegen Ruhestörung ein, die Trelovsky für ungerechtfertigt hält. Aber das ist nicht das einzig Skurrile im Wohnblock: In einem Fenster gegenüber sieht er jede Nacht Menschen stehen, bewegungslos, stundenlang. Er entwickelt Wahnsvorstellungen, verkleidet sich als seine Vormieterin, die sich kurz vor seinem Einzug aus dem Fenster gestürzt und das Leben genommen hatte. Er ist davon überzeugt, dass ihn die Mitbewohner in die Rolle seiner Vormieterin zwängen und ebenfalls zum Selbstmord treiben wollen. 
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Schon mit der ersten Einstellung entwickelt der düstere Film eine Abwärtsspirale, die nur zum Selbstmord des Protagonisten führen kann. Der pessismistische Grundton lässt keinerlei Glücksmomente aufkommen, ständig sieht man sich mit der Paranoia Trelovskys konfrontiert und wundert sich über die Menschen, die stundenlang regungslos beim Fenster stehen. Die Hauptfigur wird wunderbar unkompliziert von Regisseur Roman Polanski selbst gespielt, der auf Schnickschnack wie hysterische Ausbrüche oder Overacting verzichtet. Unauffällig, ruhig, aber wahnsinnig, das ist der Protagonist, dessen Ende dehalb so schlimm ist, weil er ständig Identifikationsfigur war, an der man sich als scheinbar einzig Normalen orientieren konnte. 
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Leider wirft der Film zu viele Fragen auf, die nicht beantwortet werden. Wieso hat die Frau, die sich ihm vorstellt, eine missgebildete Tochter, obwohl es laut Madame Dioz ein Junge ist? Was machen die Menschen stundenlang regungslos auf der Toilette? Was macht der Zahn im Loch in der Wand? Weshalb wacht Trelovsky eines Morgens mit blutigem Mund und zweitem Zahn in der Wand auf? Dinge, die im Film eine wichtige Rolle spielen, aber zu Schluss nicht erklärt werden. Schade, sonst hätte "Der Mieter" ein Meisterwerk werden können.