Freitag, 6. November 2015

Ich und Earl und das Mädchen [2015]



Greg ist ein Jugendlicher, der sich dafür rühmt, sich mit allen Jugendgruppen seiner High School insofern gut zu verstehen, dass er von niemandem Prügel kassiert. Wirklich gut befreundet ist er nur mit Earl, mit dem er seit seiner Kindheit Kurzfilme dreht, die sich an Klassikern des Weltkinos orientieren. Eines Tages wird er von seiner Mutter gezwungen, Zeit mit seiner Sandkastenfreundin Rachel zu verbringen, die kürzlich an Leukämie erkrankt ist. Wider aller Erwartungen verstehen sich Greg und Rachel auf Anhieb und werden zu unzertrennlichen Freunden und Greg steht auch während der schwierigen Chemotherapie zu ihr. Doch als Rachel nach Monaten aufgibt, will dies Greg nicht akzeptieren und beschließt, ihre Lebensfreude durch einen neuen Kurzfilm wieder aufleben zu lassen...

Ich sage es mal gerade heraus: Ich liebe "Me and Earl and the dying Girl". Ja, es ist ein Teenie-Rom-Com-Film, wie es ihn schon zuhauf gibt. Aber das Rezept funktioniert für mich immer noch: Ich musste sehr oft lachen (Seltenheitswert bei mir), musste das eine oder andere Tränchen verdrücken und hatte allgemein das beste Kinoerlebnis seit Monaten. Daher ist es gar nicht möglich, eine halbwegs objektive Meinung abzugeben (was sowieso Schwachsinn ist). Ich mochte Gregs Darsteller, ihre tollen Kurzfilme (Gregs Imitation von Werner Herzog oder "Uhrwerk Orange" mit Socken sind der Hammer), die verrückten Leute aus der Schule, die Melancholie und den Ernst, der trotz allem dem Film in den Knochen steckt. Die freundschaftliche Beziehung zwischen Greg und Rachel ist sehr süß anzusehen, auch wenn Greg ihr oft über Depressionen und Ängste hinweghelfen muss. Das Ende hat mich sehr mitgenommen, ohne jetzt groß darauf eingehen zu wollen - Greg hatte dem Zuschauer etwas versprochen, was am Ende nicht eingehalten wurde.

Trotz allem ist "Me and Earl and the dying Girl" ein wunderbarer Film, den ich mir unbedingt nochmal im Kino ansehen muss. Wer diesen Film verpasst, ist selbst Schuld.

Spotlight [2015]



Im Jahr 2001 deckte die Spotlight-Abteilung der Boston Globe zahlreiche Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in Boston auf, wofür sie 2003 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. "Spotlight", nach eben jener Abteilung von vier Journalisten benannt, beschäftigt sich mit der monatelangen Recherchearbeit und den Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hatten. 

So oder so ähnlich ließe sich die, zugegeben, doch recht einfache Handlung von "Spotlight" zusammenfassen. Doch natürlich steckt da wesentlich mehr dahinter: Erst die akribische Arbeit der vier Journalisten, die namhaft mit Michael Keaton, Mark Ruffalo und Rachel McAdams besetzt wurden, löste eine regelrechte Lawine von Missbrauchsfällen aus. Dabei ist "Spotlight" ganz klar ein Recherchefilm (ist das ein Genre?), die Handlung wird allein durch weitere Erkenntnisse im Fall vorangetrieben. "Aufgelockert" wird die Story durch Interviews mit Missbrauchsopfern, die ihre Wut und Angst zum Ausdruck bringen. Das macht betroffen, denn die Opfer waren meist zehn Jahre alt und hatten von den Eltern gelernt, dem Priester zu vertrauen - was diese natürlich allzu oft ausgenützt hatten. Gleichzeitig wird dem Team durch die katholische Kirche regelmäßig Steine in den Weg gelegt, die den Skandal natürlich unter den Teppich kehren möchte. Doch am Ende wird dem Zuschauer bewusst, dass dieser wichtige Beitrag eine Lawine ausgelöst hatte, als sich am Tag darauf zahlreiche Opfer bei der Zeitung melden. Der Boston Globe veröffentlichte bis zum Jahr 2002 über 600 Artikel, die sich mit dem sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche beschäftigte. 

Fazit: "Spotlight" kann mit sehr guten Schauspielern aufwarten, die Handlung bleibt immer interessant, wobei spannend das falsche Wort wäre. Definitiv ein guter und wichtiger Film, den man einmal gesehen haben sollte.

Die Unbezwingbaren [1963]



"My name is Elia Kazan. I am a Greek by blood, a Turk by birth and I am an American because my uncle made a journey." So beginnt Elia Kazans dreistündiges Epos über die Geschichte seines Onkels und gewissermaßen die Geschichte über ihn selbst. Der Film basiert auf einen Roman, den er selbst veröffentlicht hatte - man kann sagen, dass "America America" Kazan am Herzen lag und er einen Traum auf Film gebannt hatte. 

Stavros Topouzoglou ist ein junger Mann, der als Teil der griechischen Minderheit in Anatolien lebt, das unter türkischer Herrschaft besteht. Schon zu Beginn des Films wird Stavros in Unruhen zwischen den Türken und Armeniern hineingezogen, die schließlich zum Genozid des armenischen Volkes führen sollten. Seine Familie beschließt, Stavros als den ältesten Sohn zu einem entfernten Verwandten zu schicken und geben ihm sämtliche kostbaren Güter mit, die sie entbehren können. Doch aufgrund von Stavros' Naivität wird er ausgeraubt und landet mit nichts als seiner Kleidung in Konstantinopel. Von nun an verfolgt er nur ein Ziel: Nach Amerika zu gehen. 

Dass "America America" mit knapp 180 Minuten ein ellenlanges Epos zu werden drohte, konnte mich im Vorhinein nicht abschrecken. Schließlich führte Elia Kazan Regie, der Mann, der uns auch "Die Faust im Nacken" und "Jenseits von Eden" (zwei meiner absoluten Lieblinge) geschenkt hat. Doch es dauerte nicht lange, bis die Vorfreude ins Gegenteil verkehrte. Schon zu Beginn wurde mir klar: Ein Vergnügen wird das nicht. "America America" ist realistisch und möchte die Konflikte zwischen den Völkern darstellen, weshalb es gleich am Anfang viel Leid gibt. Doch auch die Einführung von Hauptfigur Stavros wird nicht besser: Sein Wunsch, nach Amerika zu gehen, und die Unerschütterlichkeit, mit der er das Ziel verfolgt, scheint das einzig Positive an seinem Charakter zu sein. Ansonsten bleibt er erschreckend blass, unhöflich und redet ab der Hälfte fast gar nichts mehr, sondern blickt nur böse umher. Es fiel mir schwer, sich mit dieser Figur zu identifizieren, und irgendwann hab ich es aufgegeben und nur mehr auf das Ende gewartet. Das ist natürlich sehr schade, da ich Kazan sehr schätze, aber "America America" ist einfach nur ein ewig langes und prätentiöses Stück Film.

Queen of Earth [2015]



Catherine und Virginia beschließen, ihre Freundschaft bei einem Sommeraufenthalt in einem Ferienhaus von Virginias Eltern wieder aufleben zu lassen. Doch es dauert nicht lange, bis man merkt, dass dies kein entspannter Urlaub für die beiden wird. Virginia fällt es zunehmend schwerer, Catherine in ein unverfängliches Gespräch zu verwickeln, da ständig Konfliktthemen wie Catherines Vater oder ihr Exfreund angeschnitten werden. Schon bald muss Virginia feststellen, dass Catherine sich mehr und mehr dem Wahnsinn hingibt...

"Queen of Earth" war ein richtiger Brocken. Den ganzen Film lang herrscht diese angespannte Atmosphäre, die es unmöglich macht, sich zu entspannen - wozu auch die unheilvolle Musik beiträgt, sodass man ständig etwas Schreckliches erwartet. Elisabeth Moss verkörpert Catherine und damit eine fragile, psychisch kranke Person, deren Wahnsinn erst im Lauf des Films zum Vorschein kommt. Das Schlimme ist, dass sich der Film die ganze Zeit an ihre Person hält, wodurch dem Zuschauer praktisch nie eine Atempause gegönnt ist. Entweder sie liegt mit starrem Blick in ihrem Bett, führt Telefongespräche, ohne jemanden in der Leitung zu haben, oder beobachtet feindselig ihre (eigentlich) beste Freundin Virginia. Diese lädt ihren Liebhaber in das Ferienhaus ein, um nicht mit Catherine alleine sein zu müssen, was diese zunehmend zur Weißglut treibt. Bei ihr kann man im Verlauf des Films sehr schön den Verfall ihrer psychischen Gesundheit sehen, was bei einer Party, bei der Catherine Halluzinationen bekommt und in Panik ausbricht, ihren Höhepunkt erfährt. 

Fazit: Eine extreme Erfahrung, die dem Zuschauer eine Menge Nerven abverlangt. Doch im Gegenzug wird man von Elisabeth Moss mit ihrer fantastischen Leistung entlohnt. Ein sehr starkes Kammerspiel zwischen zwei Frauen, das ich uneingeschränkt weiter empfehlen kann.

The Treasure [2015]



"Comoara" aka "The Treasure", wie er außerhalb von Rumänien genannt wird, hat mich allein wegen der Inhaltsbeschreibung dazu veranlasst, ihn auf der Viennale zu sichten. Zwei Freunde suchen nach einem verschollenen Schatz? Klingt doch super! Costi führt ein einfaches, friedliches Leben in Bukarest mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn. Als ihn sein Nachbar Adrian um Geld bittet, erzählt ihm dieser von einem verschollenen Schatz, den Adrians Großvater anscheinend vor den Kommunisten versteckt hat. Costi beschließt, seine Ersparnisse in das wahnwitzige Vorhaben einer Schatzsuche zu investieren. 

"The Treasure" ist ein sehr ruhiger Film, der von allen von Laiendarstellern getragen wird, was aber aufgrund der einfach gehaltenen Story kein Problem darstellt. Den Hauptteil des Films nimmt die Schatzsuche ein, die vor allem durch ihren trockenen Humor lebt. Das ständige Piepsen des Metalldetektors brachte das Publikum ständig zum Lachen; dazu kommen die technischen Gebrechen der Detektoren, die Sticheleien zwischen Adrian und dem Arbeiter und die zahlreichen Etablissements, die Adrians geerbtes Grundstück, auf dem die Schatzsuche durchgeführt wird, im Laufe der Jahrzehnte beherbergt hatte. Die Suche zahlt sich letztendlich doch aus, und es werden Benz-Aktien aus den 60ern ausgegraben. Mit seinem Anteil kauft sich Costi eine Ladung Schmuck, die er stolz seinem Sohn als richtigen Schatz vorzeigen kann. Beim Umrechnen unterläuft Costi und Adrian ein Fehler, der jedoch im Film weiter nicht thematisiert wird. Die Frage, ob Costi nun ein steinreicher Mann ist oder sich nach dem Kauf der Klunker hoch verschuldet hat, wird nicht geklärt, was ich sehr schade finde. 

Fazit: Es passiert nicht viel, aber trotzdem hat mir "The Treasure" sehr gut gefallen.