Mittwoch, 19. Februar 2014

Before Sunrise [1995]



Man nehme zwei Personen, die sich in einem fremden Land im Zug treffen, lass die beiden eine Nacht in einer Stadt verbringen und siehe zu, wie sie sich ineinander verlieben. Dieser Rezeptur folgt "Before Sunrise" aus dem Jahr 1995 und gilt als einer der intelektuellsten Liebesfilme überhaupt. Wie, ein intelektueller Liebesfilm? Gibt es sowas? Ja, hätte ich auch nicht gedacht, aber "Before Sunrise" konnte nicht nur mein wenig romantisches Herz, sondern auch mein Gehirn ansprechen. 

Der US-Amerikaner Jesse und die Französin Celine treffen sich im Zug von Budapest nach Wien und kommen ins Gespräch. Es läuft gut, doch als Jesse in Wien aussteigen muss, überredet er seinen kleinen Flirt, die Nacht mit ihm in Wien zu verbringen und am Morgen nach Paris weiterzufahren, da er dann einen Flug zurück in die Staaten erreichen muss. Celine lässt sich dazu überreden und da beide nicht genug Geld für eine Unterkunft haben, wandern die beiden durch Wien und lernen allerlei Kurioses kennen. Nicht nur über Wien, sondern auch über sich selbst, denn die beiden tun wirklich nichts anderes, als zu reden. Das mag sich jetzt zwar langweilig anhören, ist es aber nicht. Sie machen vor philosophischen Leben ebenso wenig Halt wie vor der Frage, was sie mit ihrem jungen Leben anfangen sollen, oder wie ihre Kindheit verlaufen ist. Es macht Spaß, den beiden intelligenten Menschen einfach nur beim Reden und Herumlaufen zuzuhören und zu sehen, wie sie sich näherkommen und sich ineinander verlieben. Und ständig hängt dieses Beil über ihnen, das Wissen, dass das Glück nur bis zum Morgengrauen währt, wenn Celine in den Zug steigt und Jesse zum Flughafen muss und ihr trautes Beisammensein ein Ende findet. 

Natürlich können sie sich am nächsten Morgen nicht ohne weiteres trennen und versprechen einander, sich in sechs Monaten wieder auf eben jenem Bahnsteig zu treffen. Ein letzter Kuss und Celine steigt in den Zug ein. Es wird offen gelassen, ob sich die beiden je wiedersehen werden. Der Film driftet nie ins Kitschige ab und man kommt schon ins Grübeln, wie man selber reagieren würde, wenn man sich auf eine gemeinsame Spritztour durch Wien mit einem (eigentlich) völlig fremden Mann einlässt und nebenbei die große Liebe trifft. Dazu kommt, dass die beiden Hauptfiguren perfekt von Ethan Hawke und Julie Delphy verkörpert werden, absolut natürlich und ohne Ausschweife. So mag ich das.