Mittwoch, 14. August 2013

Only God Forgives [2013]


Als ich vor ein paar Monaten "Spring Breakers" im Kino bestaunen durfte, war ich mir sicher, damit den unbeliebtesten Film des Jahres gesehen zu haben, gemessen an der Erwartungshaltung und dem, was man schließlich vorgesetzt bekommt. Schon als ich hörte, dass "Only God Forgives" auf dem Filmfestival von Cannes ausgebuht wurde, schwante mir Übles. Und als die ersten (negativen) Kritiken eintrudelten, war ich mir unsicher. Wollte ich einen solch scheinbar gewalttätigen Film, der die Gewalt ja geradezu abfeierte, wirklich sehen? Und ja, schließlich ging ich sogar so weit, extra 250 km mit dem Zug nach Wien zu fahren, um diesen Film zu sehen, so gespannt war ich. Es schien ein Film zu sein, den man als "Cineast" unbedingt gesehen haben sollte, ungeachtet der Tatsache, dass er brutal und gewaltverherrlichend ist.
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Zumindest wusste ich schon, dass ein harter und schwieriger Film auf mich zukommt. Wenn man blind in den Film reinstolpert, ist man wahrscheinlich entweder geschockt oder verwirrt, weil man das Gesehene nur schwer zuordnen kann. Und doch war ich nicht genug vorbereitet, denn als ich aus dem Kino kam, konnte ich nur feststellen, dass mein Gehirn zu Brei geworden war. Ich fühlte mich benommen, wusste nicht, was ich vom Film halten sollte. Was ich von der Gewalt, von Ryan Gosling, vom Gegenspieler halten sollte. Ich wusste überhaupt nichts mehr. Während meine Schwester bereits versuchte, das Gesehene zu verarbeiten und Verschiedenes zu deuten, wusste ich nicht, was ich vom Film halten sollte. Ich versuche es mal so zu beschreiben: Die Handlung an sich hört sich ja recht vernünftig an; die Hauptfigur - Julian - muss seinen Bruder rächen, dessen Ermordung vom Bangkoker Polizeichef befohlen wurde. Nicht die simple Handlung oder die spontanen Gewaltexzesse machten es mir schwer, sondern die behäbige Art des Filmes. Und wenn ich behäbig sage, meine ich minutenlange Stille, Dialoge, die man an zwei Händen abzählen kann, bedrohliche Bässe, die den Zuschauer ab und zu aus seiner Trance reißen, und einen Gosling, der wieder stoisch geradeaus schauen darf. Es war merkwürdig, denn ich fühlte mich wie in Trance. Minutenlang starrte ich auf den Bildschirm und vergaß alles um mich herum. Wie in einem Albtraum sieht man zu, wie Julian den Anforderungen seiner dummen Mutter nicht gewachsen ist, Schwanzvergleiche zwischen seinem Bruder und ihm mitanhören muss, verprügelt wird, merkwürdige Sexfantasien hat, seiner Mutter die Hand in den Bauch steckt, durch rote Korridore geht und schließlich der Film zu Ende ist.
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Wie man lesen kann, bin ich noch immer nicht recht schlau aus dem Film geworden. Während mich die Stimmung an sich faszinierte und die bedrohliche, ja gefährliche Stimmung mich vollends umklammert hatte, hatte ich große Probleme, mich in die Gefühlwelt der Charaktere einzufühlen. Julian, unsere wichtigste Bezugsperson, bleibt ständig blass, kalt, unnahbar und man weiß einfach nicht, was er fühlt und wie er denkt. Goslings stoisches Mienenspiel verstärkt diesen Eindruck nur (weshalb er schon richtig gecastet wurde). Bei vielen Szenen weiß man auch nicht so recht, ob sich das Gesehene in der Realität abspielt oder nur in Julians recht kranker Fantasie. Man kann den Film am ehesten mit einem wunderschönen Gemälde vergleichen, das zwar schön aussieht, aber einen innerlich etwas kalt und enttäuscht zurücklässt.