Samstag, 21. März 2015

Sag nicht, wer du bist [2013]



Mit "Tom á la ferme" hab ich endlich Xavier Dolans überblickbare Filmografie durchgeackert. Seine Filme behandeln entweder komplizierte Mutter-Sohn-Beziehungen (I Killed My Mother, Mommy, Laurence Anyways) oder unerfüllte Liebe (Herzensbrecher, Mommy). Sie sind dank Dolans natürlicher Intuition immer wunderschön fotografiert und mit poppigem Soundtrack unterlegt und wirken nie künstlich, auch wenn "Herzensbrecher" einem Modekatalog für Hipster entsprungen schien.

Mit "Tom á la ferme" (den deutschen Titel lass ich außer Acht, der ist ja schrecklich) hat Dolan mal etwas ganz Neues ausprobiert: Psychothriller. Der tanzt extrem aus der Reihe und bietet für Dolan-Fans gar nichts Vertrautes: Keinen Pomp, keine poppigen Songs, keine stylischen Slow-Motions. Die meisten Szenen wurden aus der Ferne, im Nebenzimmer sozusagen, gefilmt, sodass man teilweise gar nicht die Personen sieht, sondern sie nur sprechen hören kann. Die Musik ist unglaublich subtil und bietet keinen einzigen Song, der Ohrwurmcharakter hätte. Auch der Grundton des Films ist viel trister, die Farben matt. Tom fährt aufs Land zur Familie seines verstorbenen Partners und wird dort von dessen masochistischen Bruder festgehalten. Warum, erfährt man nicht. Tom wehrt sich nur spärlich, wagt zunächst keine Flucht. Erst ist Francis brutal zu Tom und schlägt ihn vermehrt, dann tanzen die beiden in der Scheune einen Tango. Warum? Ist er in Tom verliebt, wagt es aber nicht, es sich selbst als homophober Farmer einzugestehen? Dolan erklärt wirklich nichts, und das hat es mir leider sehr schwer gemacht. Man sieht tagein tagaus einen Tom, der sich mit seinem harten Schicksal abgefunden hat, erträgt Francis' Grausamkeiten und tanzt nach seiner Pfeife, obwohl er sich aus freien Stücken auf der Farm aufhält. Als Francis die Reifen von Toms Auto nimmt, reagiert dieser völlig unpassend und nimmt es einfach hin, scheint sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. 

Ich bewundere ja Dolans Mut, mal aus seiner kunterbunten Bonbonwelt auszubrechen und etwas Neues zu versuchen, aber "Tom á la ferme" ging meiner Meinung nach sehr in die Hose. Kein vorhandener Spannungsbogen und unsympathische Charaktere, mit denen man sich nicht identifizieren kann/möchte verhindern das  Aufbauen der nötigen Faszination. Zum Glück kehrte er danach mit "Mommy" wieder zu seinen Wurzeln zurück und macht Filme, die ihm auch liegen.