Der kanadische Regisseur Xavier Dolan genießt heute unter Filmkennern den Ruf, ein Wunderkind zu sein. Bereits mit 16 Jahren schrieb er das Drehbuch zu "I killed my Mother" und nur drei Jahre später produzierte er den Film zu großen Teilen selbst und führte die Regie, ohne jegliche Erfahrung in diesem Bereich.
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Nun, wenn man sich den Film ansieht, die wunderschön fotografierten Bilder, die Handlung, die Charaktere, würde man meinen, ein langjähriger Profi hätte ihn gedreht. Nein, eben nicht. Man darf Xavier Dolan wirklich als klassisches Wunderkind bezeichnen: Er erschafft ein Kunstwerk, ohne sich davor mit der Materie beschäftigt zu haben.
"I killed my Mother" basiert auf einem autobiografischen Drehbuch, in dem Dolan seine eigene Familiengeschichte verarbeitete: Der 16-jährige Hubert steckt in einer kritischen Phase seines Lebens. Er ist schwul und hasst seine Mutter. Natürlich liebt er sie auch, eine typische Hassliebe bestimmt ihre Beziehung. Das Problem ist, dass Hubert jede Eigenschaft an seiner Mutter verachtet und sie ständig für seine Probleme verantwortlich zu machen scheint. Es vergeht kein Tag, an dem sich die beiden einander anschreien, aus jeder Mücke wird ein Elefant gemacht. Er verachtet sie, er hasst alles an ihr. Ihre schrille Kleidung, ihr fragwürdiger Geschmack, ihre kleinen Macken. Ihre Streitereien führen so weit, dass Huberts Vater eingeschaltet wird und er in ein Internat gesteckt wird, wodurch sich der Hass auf seine Mutter nur noch verstärkt.
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Wenn man den Titel "I killed my Mother" zum ersten Mal hört, denkt man, es ginge um einen Sohn, der seine Mutter wirklich getötet hatte und nun davon berichten möchte. Ein irreführender Titel, wie ich finde, denn eigentlich geht es im Film nur um Hubert und seine Probleme mit seiner Mutter. Dass er seine Mutter gerne verleugnet (sogar als tot bezeichnet) und ein Gedicht namens "I killed my Mother" schrieb, verstärkt den Hass, den man den ganzen Film über spüren kann, umso mehr. Eine bedrückende Stimmung beherrscht den Film, Huberts Aggressivität und Hass ist allgegenwärtig. Deshalb sind gerade die ruhigen Szenen, in denen sich Hubert mit seiner Mutter wieder zu versöhnen versucht, eine wahre Wohlfühloase. Doch gerade wegen der aufgeheizten Stimmung und der realistischen Thematik - ich meine, jeder Teenager hasst seine Mutter ab und zu - gefiel mir der Film besonders gut. Hinzu kommt der offene Umgang mit Huberts Homosexualität, was wohl mit der sexuellen Neigung Dolans zusammenhängen dürfte. Ein bedrückender, aber sehr faszinierender und wunderschön fotografierter Film.