Eine Schande, dass ich mich erst jetzt dieser wunderbaren und beinahe perfekten Serie zugewandt habe. Lange habe ich mich dagegen gewehrt, ignorierte das positive Echo und dachte mit Schrecken an die modernen Sherlock-Holmes-Filme mit Robert Downey Jr., die zwar nicht schlecht sind, aber nichts mehr mit den Romanen von Sir Arthur Conan Doyle gemein haben.
Umso größer war die Überraschung, als sich Sherlock als eine der besten Serien entpuppte, die ich jemals sehen durfte. Hier stimmt einfach alles: Schauspieler, Musik, Dramatik, Atmosphäre, Handlung... diese Liste könnte ich endlos so weiterführen, wenn ich wollte. Aber jetzt mal genug von all den Lobpreisungen, ich werde jetzt in jede der bislang sechs Episoden eingehen, Spoilerwarnung ist wie immer gegeben, lesen auf eigene Gefahr.
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Staffel 1, Episode 1: Ein Fall von Pink [A Study in Pink]
Der große Serienauftakt, eine grandiose Pilotfolge, die ihren Hauptfiguren Sherlock Holmes und John Watson genau die Zeit gibt, die der Zuschauer braucht, um in der weiteren Handlung mit ihnen mitfiebern zu können. Watson wird uns als bodenständiger, aber traumatisierter Ex-Soldat beschrieben, der noch mit den Schrecken des Afghanistankrieges zu kämpfen hat. Er ist oft sarkastisch, womit er den perfekten Gegenpol zum überragenden Genie Sherlock darstellt, der Johns Lebensgeschichte mit nur ein paar Blicken aufsagen kann. Noch am selben Abend, als sie einander vorgestellt werden, ziehen sie in eine Wohnung, gehen auf Verbrecherjagd und lösen einen mysteriösen Mordfall, der Scotland Yard ratlos hinterließ: Vier Menschen wurden tot aufgefunden, Erstickungstod, durch Drogen verursacht. Sherlock löst den Fall, was in einem spannenden Finale endet und somit einen guten Grundstein für die weitere Handlung legt.
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Staffel 1, Episode 2: Der blinde Banker [The Blind Banker]
Was so toll anfing, beginnt bereits mit der zweiten Episode abzuflachen, wobei ich eigentlich selber nicht sagen kann, was mir an dieser Folge nicht gefällt. Wieder muss ein scheinbar unlösbarer Fall aufgedeckt werden, diesmal sind sogar die chinesische Mafia und ein mysteriöser Assassine mit von der Partie, die dezent unglaubwürdig klingen, sodass die Authentizität erheblich darunter leidet. Hinzu kommt, dass Watson zwar etwas mehr Freiraum bekam, diese Chance aber völlig verspielt, indem man ihm eine blonde Frau zur Seite stellt, die gleich beim ersten Date keine Hemmung verspürt, einem Verbrecher das Handwerk zu legen und auch handgreiflich zu werden. Klar die schwächste Episode der ganzen Serie (womit ich mit dieser Meinung nicht alleine dastehe).
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Staffel 1, Episode 3: Das große Spiel [The Great Game]
Diese Episode beginnt amüsant, indem man eine ganz andere Seite von Sherlock zu Gesicht bekommt, nämlich die, wenn er mal nichts zu tun hat. So vertreibt er sich die Zeit, indem er mit einer Waffe auf seine Wand einschießt, sehr zum Leidwesen seines Landlords. In dieser Folge werden Sherlock von einem noch unbekannten Gegenspieler insgesamt fünf Rätsel gestellt, die er innerhalb einer bestimmten Frist lösen muss - andernfalls wird ein Opfer getötet. Doch diese Folge bleibt vor allem wegen dem tollen Staffelfinale in Erinnerung. Hier wird auch endlich der große Gegenspieler aufgedeckt und - wie könnte es auch anders sein - es ist natürlich James Moriarty, der hier zwar kein Professor mehr ist, aber dafür umso verrückter und unberechenbarer. Die erste Staffel endet mit einem spannenden Cliffhanger, der erfolgreich seine Zuschauer bis zur Veröffentlichung der zweiten Staffel bei der Stange halten sollte.
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Staffel 2, Episode 1: Ein Skandal in Belgravia [A Scandal in Belgravia]
Die zweite Staffel beginnt dort, wo die vorherige geendet hat, nämlich beim Cliffhanger im Hallenbad, wo sich Moriarty und Sherlock gegenüber stehen. Leider wird der Spannung sofort der Wind aus den Segeln genommen, als Moriarty spontan beschließt, den finalen Showdown auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben und einfach rausgeht und die beiden Ermittler ratlos zurücklässt. Einige Zeit später werden die beiden von Sherlocks Bruder Mycroft in den Buckinghampalast geladen, wo sie von der Domina Irene Adler erfahren, die in Besitz von belastenden Fotomaterial eines Mitglieds des britischen Königshauses ist. Es stellt sich heraus, dass diese Frau Sherlock ebenbürtig ist und es liebt, ihre Spielchen mit Sherlock zu spielen. Als sie für tot erklärt wird und Sherlock sie identifiziert, schient er wie am Boden zerstört, als ob er etwas für sie empfunden hätte. "Ein Skandal in Belgravia" fasziniert mich nicht so sehr, weil Sherlock aus Versehen einen wichtigen Plan seines großen Bruders und der gesamten Nation vereitelt, das ist für mich nur Nebenhandlung. Im Zentrum stehen hier ganz klar Sherlock und Irene Adler und die Trauer, die er verspürt, aber nicht realisieren, geschweige denn in Worte fassen kann. Nur Watson macht sich Sorgen, weil Sherlock wochenlang am Boden zerstört zu sein scheint, nur Geige spielt und nichts spricht. Ähnlich wie in der nächsten Folge bekommen wir auch hier eine völlig neue Seite an dem scheinbar asexuellen Detektiv zu sehen, was natürlich sehr aufregend ist. Das Ende gefällt ebenso wie der personifizierte Klingelton und die verwirrte Reaktion darauf, wann immer Irene Sherlock eine SMS schickt.
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Staffel 2, Episode 2: Die Hunde von Baskerville [The Hounds of Baskerville]
Wieder eine Episode, die weniger durch die Handlung, als durch eine neu entdeckte Seite an Hauptfigur Sherlock besticht. Hier handelt es sich um die Verfilmung bzw. Modernisierung der wahrscheinlich bekanntesten Sherlock-Holmes-Geschichte und ist damit auch die am stärksten modernisierte. Alles beginnt damit, dass ein armes Schwein bei Sherlock um Hilfe sucht, weil er davon überzeugt ist, dass die Militärbasis Baskerville in Schottland mit genmanipulierten Tieren experimentiert und einer dieser Tiere, ein riesiger Hund, vor Jahren seinen Vater zerfleischt haben soll. Hier ist im Grunde der Weg zur Lösung spannender als die Auflösung selbst; es wird sehr geschickt mit der Psyche des Menschen gespielt und so viel Spannung aufgebaut, dass man sich am liebsten unter der Bettdecke verstecken möchte, sobald Watson und Sherlock (natürlich) im Dunkeln ins Moor gehen, um nach dem Hund zu suchen. Die Aufösung selbst ist allerdings sehr enttäuschend, weshalb die Episode beim ersten Mal Ansehen am Besten funktioniert. Allerdings ist Sherlock zu Beginn im Moor ebenfalls davon überzeugt, den Hund gesehen zu haben, weshalb er fast durchdreht vor Angst und fast zehn Minuten lang durchquasselt und fremde Leute analysiert, nur um sich wieder seinen Glauben in seine eigenen Sinne zurückzuverschaffen. Sherlock und Angst - eine beängstigende Mischung.
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Staffel 2, Episode 3: Der Reichenbachfall [The Reichenbach Fall]
Die mit Abstand beste Episode der gesamten Reihe, endet sie doch mit einem fulminanten Showdown zwischen Moriarty und Sherlock und mit einem unerträglichen Cliffhanger. Doch alles von Beginn an: Schon hier wird der Zuschauer geschockt, indem Watson zu seiner Therapeutin geht und ihr sagt, dass es ihm schlecht gehe, weil sein bester Freund Sherlock tot ist. Noch besser kann man die Episode nicht beginnen! Danach kommt eine Rückblende, in der gezeigt wird, wie Moriarty versucht, die britischen Kronjuwelen zu stehlen - natürlich stiehlt er sie nicht nur. Er schreibt groß "Get Sherlock" auf das Glas, schlägt es mit einem Feuerlöscher ein (in einer eindrucksvollen Szene, tanzend und mit klassischer Musik untermalt) und als die Polizei eintrifft, sitzt er mit Juwelen behangen und mit Krone auf dem Kopf auf dem Thron und grinst breit. Dies ist endlich die Episode, wo sich die beiden Kontrahenten wieder begegnen und sich endlich ein bisschen öfter miteinander unterhalten dürfen. Auch Moriarty darf zeigen, wie verrückt er wirklich ist und man entwickelt sogar irgendwie Sympathie für ihn. Die Szene, in der Sherlock Moriarty in seiner Wohnung Tee serviert oder als sie am Dach des Krankenhauses stehen und es um Leben und Tod geht - diese Episode gehört ganz den beiden. Auch Moriartys Plan, Sherlock als Betrüger darzustellen, geht auf, indem die Polizei, die Presse, und am Schluss vermeintlich auch Watson daran glaubt, ein Betrüger, der selbst die Morde beging und sich anschließend als großer Retter darstellte. Ein fulminantes Ende, viele Gefühle, ein Watson, der endlich wieder eine Rolle spielen darf, ein unglaublich schlimmer Cliffhanger. Sherlock tot? Nicht einen Augenblick.